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Studie identifiziert und benennt enormes Verdichtungspotenzial
Die Studie „Potenziale für nachhaltige Innenentwicklung“ identifiziert auf 30 % der bestehenden Siedlungsflächen ein sinnvolles Innenentwicklungspotenzial. Würden 70 % dieses Potenzials realisiert, könnte neuer Wohnraum für 2 Millionen Menschen und Raum für 1,1 Millionen Arbeitsplätze geschaffen werden, ohne neue Flächen zu überbauen.
Erstmals liegen Daten vor, die aufzeigen, wie hoch das Verdichtungspotenzial in der Schweiz wirklich ist. Die von Sotomo im Auftrag von Urbanistica durchgeführte Studie befasst sich mit den Herausforderungen des Bevölkerungswachstums in der Schweiz, wie Wohnungsknappheit und belastete Infrastrukturen. Sie will einen Beitrag zu einer effizienten, qualitätsvollen und nachhaltigen Siedlungsentwicklung leisten, wie sie das vom Schweizer Volk angenommene Raumplanungsgesetz (RPG) von 2013 fordert.
Die zentrale These der Studie ist, dass nachhaltige Innenentwicklung nur gelingen kann, wenn Dichte und Siedlungsqualität miteinander verbunden werden. Eine reine Verdichtung an gut erschlossenen Lagen reicht nicht aus; sie muss mit Verbesserungen bei Nahversorgung, Naherholung, Durchgrünung, Ruhe und Nutzungsmix einhergehen, um die Lebensqualität und damit die gesellschaftliche Akzeptanz zu sichern.
Die wichtigsten Erkenntnisse sind für die aktuellen Arbeiten in Politik, Wissenschaft, Industrie und Behörden von Bedeutung.
Enormes Wohnraumpotenzial
Die Studie identifiziert auf 30 % der bestehenden Siedlungsflächen ein sinnvolles Innenentwicklungspotenzial. Würden 70 % dieses Potenzials realisiert, könnte neuer Wohnraum für 2 Millionen Menschen und Raum für 1,1 Millionen Arbeitsplätze geschaffen werden, ohne neue Flächen zu überbauen.
Agglomerationen als Schlüsselräume
Obwohl grosse Städte wie Bern und Zürich pro Fläche das höchste Potenzial aufweisen, liegt das grösste Gesamtpotenzial in den Agglomerationen. Allein hier könnte durch Innenentwicklung Wohnraum für 870’000 Personen entstehen. Angeführt wird das Ranking der Gemeinden mit dem grössten Potenzial von Agglomerationsgemeinden wie Schwerzenbach, Opfikon (beide ZH) und Vernier (GE).
Qualitätsdefizite sind weit verbreitet
Der grösste Handlungsbedarf zur Verbesserung der Siedlungsqualitäten findet sich ebenfalls in den Agglomerationen und Städten. Hauptprobleme in Städten sind ein unausgewogener Nutzungsmix, Lärm und fehlende Durchgrünung, während in Agglomerationen oft die Nahversorgung und die Anbindung an Naherholungsräume unzureichend sind. Auffällig sind Qualitätsdefizite in monofunktionalen Gewerbegebieten und in der Westschweiz.
Qualität und Dichte sind kein Widerspruch
Erfolgreiche Projekte und Quartiere zeigen, dass Dichte erst die Voraussetzung für Qualitäten wie eine gute Nahversorgung schafft, während hohe Qualität umgekehrt die Akzeptanz für Dichte erhöht.
Aus der Perspektive der Bauwirtschaft bietet diese datenbasierte Studie eine wertvolle und differenzierte Grundlage für strategische Entscheidungen.
Konkrete Identifikation von Marktpotenzialen
Die Studie liefert eine empirische „Schatzkarte“ für Entwickler und Investoren. Durch die kleinräumige Analyse bis auf Zonenebene können gezielt Grundstücke und Areale mit hohem, unausgeschöpftem Entwicklungspotenzial identifiziert werden. Dies reduziert das Risiko von Fehlinvestitionen und fokussiert die Akquise auf Lagen, in denen Verdichtung raumplanerisch sinnvoll ist. Beispiele wie die Einfamilienhausquartiere in Prilly oder Cham zeigen auf, wo erhebliche Reserven schlummern.
Argumentationshilfe gegenüber Behörden und Bevölkerung
Die Studie ist eine datenbasierte Orientierungshilfe für Behörden und Raumplanung. Für die Bauwirtschaft kann sie als starkes Argumentationsinstrument dienen, um Zonenplanänderungen anzustossen oder Bewilligungsverfahren zu beschleunigen. Wenn ein Projekt in einer Zone mit hohem ausgewiesenem Potenzial liegt, lässt sich die Notwendigkeit der Verdichtung objektiv begründen. Das Scheitern des Projekts in Kloten-Steinacker zeigt jedoch, dass empirische Daten allein nicht ausreichen und die gesellschaftliche Akzeptanz entscheidend bleibt.
Fokus auf qualitätsvolle Projekte als Erfolgsfaktor
Die Studie betont, dass die Akzeptanz von Verdichtung von der gleichzeitigen Schaffung von Qualitäten abhängt. Für die Bauwirtschaft bedeutet dies, dass Projekte, die von Anfang an Mehrwerte wie Grünräume, gute Nahversorgung oder einen ausgewogenen Nutzungsmix integrieren, höhere Realisierungschancen haben. Der blosse Fokus auf die Maximierung der Ausnutzungsziffer ist kurzsichtig und riskiert Widerstand. Erfolgsbeispiele wie die Transformation von Industriearealen in Renens oder Neuhausen zeigen, dass gemischt genutzte, lebendige Quartiere erfolgreich sind.
Hebel zur Bekämpfung der Wohnungsknappheit und Baukosten
Indem die Studie aufzeigt, dass Wohnraum für 2 Millionen Menschen auf bereits erschlossenem Land möglich ist, liefert sie ein starkes Argument gegen die Zersiedelung und für die Priorisierung der Innenentwicklung. Für die Bauwirtschaft ist dies relevant, da die Entwicklung auf der „grünen Wiese“ zunehmend schwieriger wird. Die Konzentration auf gut erschlossene Lagen kann Infrastrukturkosten senken. Gleichzeitig unterstreicht die Studie die Notwendigkeit, strukturelle Probleme wie komplexe Bewilligungsverfahren und Widerstand gegen Verdichtung zu überwinden, die das Angebot verknappen und die Preise treiben.
Neue Geschäftsfelder bei der Quartiersentwicklung und Transformation
Die Identifikation von Zonen mit hohem Handlungsbedarf bei den Qualitäten (z.B. monofunktionale Gewerbegebiete) eröffnet der Bau- und Immobilienwirtschaft neue Geschäftsfelder jenseits des klassischen Neubaus. Die Transformation und Aufwertung bestehender Areale zu durchmischten, lebenswerten Quartieren wird zu einer zentralen Aufgabe. Dies erfordert interdisziplinäres Know-how in Städtebau, Landschaftsarchitektur und partizipativen Prozessen.