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Neue Studie der FHNW: Harte Zielkonflikte bei Wohnschutzpolitiken in Schweizer Städten
Die vorliegende Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW), Hochschule für Wirtschaft, untersucht die dynamischen Auswirkungen von zwei zentralen Regulierungsinstrumenten – Mietpreisregulierung (rent control) und Wohnungsrationierung (rationing) – auf Bauinvestitionen und die Marktknappheit. Die Analyse basiert auf Jahresdaten aus Genf für den Zeitraum 1994 bis 2022 und leitet wichtige, auf Basel-Stadt, Zürich und Luzern übertragbare Erkenntnisse ab.
Der zentrale Befund beschreibt einen schwierigen Zielkonflikt: restriktive Mietpolitiken führen zu niedrigeren Mieten, gehen aber gleichzeitig mit reduziertem Neubau einher. Die Instrumente wirken dabei über unterschiedliche Kanäle und zeigen heterogene Effekte bei privaten und institutionellen Investoren.
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1. Wohnungsrationierung (Mengenrestriktion)
Die Wohnungsrationierung wirkt als Mengenrestriktion. Sie steuert die Verfügbarkeit von Mietwohnungen, indem sie etwa Abriss, Umnutzung oder Umwandlung (z. B. in Eigentumswohnungen) bewilligungspflichtig macht.
Auswirkungen auf Investitionen und Knappheit:
- Rückgang der Bauinvestitionen: Rationierungsschocks gehen mit deutlichen Rückgängen der Bauinvestitionen einher. Aggregiert betrug dieser Rückgang in Genf rund −600 Mio. CHF (was etwa 1 % des Genfer BIP und 11 % der gesamten Bauausgaben entspricht – ein ökonomisch relevanter Effekt).
- Institutionelle Investoren: Diese Investorengruppe ist überdurchschnittlich stark betroffen. Rationierungsschocks führen zu einem ausgeprägten Rückgang der institutionellen Neubauinvestitionen von rund −400 Mio. CHF. Dies liegt daran, dass Bewilligungsrisiken steigen, Projektlaufzeiten verlängert werden und die Bodenwerte gedrückt werden, was grossflächige Ersatzneubauten unattraktiver macht.
- Verschiebung hin zu Renovationen: Rationierung verlagert die Aktivität vom Neubau in den Bestand. Sowohl institutionelle als auch private Investoren schichten Kapital hin zu bestandserhaltenden Renovationen um. Bei privaten Investoren steigen die Renovationsausgaben kurzfristig deutlich (etwa +200 Mio. CHF in den Jahren 1–3).
- Zunehmende Knappheit: Rationierung führt zeitlich vorlaufend zu sinkenden Leerständen (dies wird durch Granger-Kausalität belegt). Dies ist ein klarer Hinweis auf eine politisch induzierte Verknappung und Angebotsverengung.
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2. Mietpreisregulierung (Preisrestriktion)
Die Mietpreisregulierung wirkt als Preisrestriktion, indem sie Mietobergrenzen oder Anpassungen begrenzt.
Auswirkungen auf Investitionen und Renditen:
- Neubauinvestitionen: Die Neubauinvestitionen reagieren schwächer und nicht konsistent signifikant auf eine Verschärfung der Mietpreisregulierung. Bei institutionellen Investoren steht eine Verschärfung mit einem Rückgang von etwa −100 Mio. CHF in Verbindung.
- Renovationen: Eine Verschärfung löst einen vorübergehenden Anstieg der privaten Renovationen aus (ca. +150 Mio. CHF in den Jahren 1–3), der bis etwa Jahr 5 ausläuft. Diese Investitionen kanalisieren Kapital weg vom Neubau hin zu rasch umsetzbaren, bestandserhaltenden Upgrades.
- Knappheit/Renditen: Leerstände bleiben breit unverändert. Mietpreisdeckel komprimieren die Preis- und Ertragsdynamik. Die laufende Ertragsrendite (Cash-flow-Rendite) gibt unter beiden Regimen leicht nach (ca. −0,2 %), während die Wertänderungsrendite (Capital Return) keine verlässliche Verbesserung zeigt.
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Fazit und Politikimplikationen
Die Ergebnisse zeigen, dass die Wohnungsrationierung die Investitionsaktivität von institutionellen Akteuren merklich vom Neubau in den Bestand verlagert. Die Nutzung wird dichter, doch neue Einheiten kommen kaum hinzu. Mietpreisregulierung dämpft primär die Mietdynamik.
Wesentliche Zielkonflikte:
- Rationierung: Schützt zwar den Mietbestand (weniger Abgänge durch Abriss/Umnutzung), begrenzt aber den Zufluss neuer Wohnungen und zementiert damit die Knappheit.
- Mietpreisregulierung: Dämpft die Ertragsspielräume. Ihr Risiko liegt in schwächeren Anreizen für tiefgreifende Erneuerungen und Redevelopment, da die Kostendeckung unsicher wird.
Die Schlussfolgerung für die Politik ist, dass der Mieterschutz mit Angebots- und Qualitätszielen ausbalanciert werden muss, um eine Verfestigung der Knappheit zu vermeiden. Dies erfordert planbare, regelkonforme Verdichtung und refinanzierbare Sanierungspfade.
Man könnte die Wirkung dieser Instrumente mit einem überfüllten Lagerhaus vergleichen: Die Wohnungsrationierung schliesst die Notausgänge (Abriss/Umwandlung), um zu verhindern, dass Ware (Wohnraum) verloren geht. Sie macht aber auch den Bau neuer Hallen (Neubau) extrem schwierig. Die Folge: Die Halle ist zwar voll ausgelastet, aber sie wird mit der Zeit immer enger, ohne dass neue Kapazitäten hinzukommen. Die Mietpreisregulierung sorgt derweil dafür, dass die Miete, die man für die Lagerung zahlen muss, nicht zu stark steigt, reduziert aber auch die Anreize für dringend benötigte Modernisierungen der bestehenden Lagerhallen.