Branche, Verband
Die 10 Millionen Schweiz lebenswert gestalten
Das Erfolgsmodell Schweiz ist anziehend und funktioniert. Das hat seinen Preis: Wirtschaft und Bevölkerung wachsen. Der Kleinstaat ist eine Wirtschaftsmittelmacht, aber bleibt ein eher kleines Land, welches mit seinem knappen Boden, Bau- wie Ackerland, sorgsam umgehen muss. Wen ein anhaltendes Wachstum der Wohnbevölkerung besorgt, hat sich noch nicht mit den Problemen befasst, die eine sinkende (und überalternde) Bevölkerung nach sich zieht. Das Tempo der Bevölkerungszunahme ist aber unbestreitbar eine Herausforderung. Namentlich die Bautätigkeit hinkt dem Haushaltswachstum hinterher. Für das Jahr 2025 wird schweizweit ein Mangel von 40’000 Wohnungen prognostiziert – das entspricht der Bautätigkeit eines ganzen Jahres. Die Leerwohnungsziffer sinkt und sinkt. Den benötigten Wohnraum nicht zu bauen löst keines der mit der Zuwanderung einhergehenden (Wohlstands-)Probleme.
Verdichtetes Bauen in einem verdichteten Paragraphenwald
Es muss also gebaut werden. Aber wo? 95% der Bevölkerung leben innerhalb der 5% Landesfläche, die als Bauzone ausgewiesen ist. Vier Fünftel davon sind bereits verbaut. Und nicht einmal die Hälfte der Bauzonen sind Wohnzonen. Eindimensionales Wachsen in die Breite würde in eine Sackgasse führen. Namentlich verteuert die Verknappung des Baulandes den Boden und damit das ohnehin schon teure Leben und Wohnen in der Schweiz. Wir können und wollen uns keine Zersiedelung mehr leisten, das haben wir an der Urne entschieden. Ab 2050 sollen netto gar keine neuen Bauzonenflächen mehr hinzukommen.
Das Raumplanungsgesetz fordert deshalb, dass in den bestehenden Siedlungen verdichtet gebaut wird. Das bedeutet Bauen in die Höhe auf engerem Raum, mit mehr Nachbarn, in tendenziell lärmbelasteten Räumen. Bauen und Entwickeln wird so zur Quadratur von immer mehr Kreisen. Baugesuche umfassen nicht mehr Seiten, sondern ganze Ordner. Selbst für einfache Umbauprojekte kann Korrespondenz mit über zehn Ämtern nötig sein – oftmals über zu lange Zeit mit zu vielen Hakenschlägen auf dem Weg. Und so dauert es immer länger, bis Baubewilligungen erteilt werden. Von den mitunter schlicht mutwilligen Einsprachen ganz zu schweigen. Die langen Schlangen bei Wohnungsbesichtigungen sind eine für alle sichtbare Fortsetzung der bürokratischen Verzögerungen, mit denen sich Bauherren und Bauunternehmer herumschlagen müssen. Die politischen Lösungen sind auf dem Tisch und sie sind typisch schweizerisch: Klare Fristen, professionelle Partizipationsverfahren, zweistufige und digitalisierte Prozesse, Beschränkung von rein querulatorischen Einsprachen und von den Gemeinden auch umgesetzte Raumplanungsvorgaben. Wir brauchen auf allen Ebenen mehr unternehmerisches Denken und Handeln, Führung und Verantwortung aber auch eine Kultur von Ermöglichen statt Verhindern. Wir sollten uns von Ängsten, und ideologischen Barrieren lösen und statt dessen eine gemeinsame Kultur entwickeln, die ermöglicht statt verhindert.
Dafür haben wir aktuell ganz konkrete Chancen: beispielsweise beim Lärmschutz. Zahlreiche Wohnbauprojekte in Städten sind durch veraltete Lärmschutzauflagen blockiert. Die Politik ist mit Hochdruck daran, durch eine Revision des Umweltschutzgesetzes einen neuen Ausgleich zwischen Lärmschutz und dem Bedarf an Wohnraum herzustellen. Drücken wir die Daumen, dass das Vorhaben klappt!
Nachhaltiges Bauen mit Kreislaufwirtschaft
Nicht nur gilt es, für mehr Menschen auf knappem Boden Wohn- und Arbeitsräume zu schaffen. Bau und Betrieb sollen und können begrenzte Ressourcen nachhaltig nutzen. Richtig verstandene «Nachhaltigkeit» heisst mitnichten ein absolutes Primat der Ökologie, sondern umfasst neben der ökologischen auch die ökonomische und soziale Dimension. In diesem ganzheitlichen Verständnis wurde im öffentlichen Beschaffungsrecht auf allen drei föderalen Ebenen ein Vergabekulturwechsel etabliert, weg vom reinen Preiswettbewerb hin zu Innovation und Qualität. Ein Schlüssel zur ressourcenschonenden Bauwirtschaft ist die Kreislaufwirtschaft, damit möglichst viele Materialien aus einem Abriss in ein neues Objekt verbaut werden können.
Integriere Zusammenarbeitsmodelle
Wer im Geiste von Verdichtung und Nachhaltigkeit bauen möchte, ist gut beraten, das Projekt vom Anfang bis zum Ende ganzheitlich zu betrachte und im Team auf Basis von Transparenz und Vertrauen anzupacken und umzusetzen. Die Baubranche bietet hierfür integrierte Zusammenarbeitsmodelle an, die nicht wie bis dato linear funktionieren sondern in einem moderneren und partnerschaftlichen System. Weil alle wichtigen Beteiligten von der Planung bis zum Betrieb der Immobilie frühzeitig eingebunden sind, können so die komplexen Herausforderungen unserer Zeit besser und für alle gewinnbringender gelöst werden. Diese modernen Modelle bieten die notwendigen Rahmenbedingungen für das Bauen und die Fachkräfte der Zukunft. Denn die Bau- und Immobilienwelt ist – später als andere – mitten in einer fundamentalen Transformation, wo Digitalisierung, Standardisierung aber eben auch eine neue Kultur der Abwicklung wichtige Mosaiksteine des zukünftigen Erfolgs sein werden. Und dabei sind nicht nur die Unternehmen gemeint, auch bei den Bauherren, den Behörden und allen weiteren beteiligten Organisationen und Menschen sind ein Umdenken und die Offenheit für neue Wege essenziell. Risiken werden gemeinsam früh erkannt und Lösungen gemeinschaftlich gefunden, statt den (finanziellen) Druck einfach nach unten weiterzureichen.
«Wir müssen als Branche vorangehen und Lösungen bereit haben, um kreislauffähig, verdichtet und bedürfnisgerecht zu bauen. Dabei ist ein Kulturwandel hin zu mehr Vertrauen, mehr Miteinander und mehr Transparenz unabdingbar.»