Branche
Weshalb partnerschaftliche Projektabwicklung die Generation Z motiviert
Wie steht es um den Nachwuchs in der Bauwirtschaft? Die Frage wird mir immer wieder gestellt, und ich habe keine einfache Antwort darauf. Als Verbandsvertreterin sehe ich die grosse Herausforderung, die der Fachkräftemangel darstellt. Auch höre ich oft, dass die Vorstellungen der Generation Z – das sind ungefähr die Jahrgänge von 1997 bis 2010 – nicht auf die Baubranche passen würden. Die Jungen hätten keine Lust auf handwerkliche Berufe, schauten bei der Berufswahl auf maximale Flexibilität und wenig Verantwortung und suchten eine «chillige» Arbeitsumgebung.
Wenn bei uns zuhause am Abend die beiden Jungs von der Baustelle kommen und über ihren Tag erzählen, tönt es anders. Etwas vom Wichtigsten ist für die Elektromonteure und -installateure eine gute Zusammenarbeit. Millennials sind es gewohnt mitzudenken. Sie sind vernetzt und tauschen sich laufend auf allen möglichen Kanälen aus. Sie wissen, dass man zu zweit mehr als doppelt so gut weiterkommt, wünschen sich dabei aber eine vertrauensvolle Umgebung, respektvolle Kommunikation und Spass im Team. Die beiden Jungs bei uns verstehen sehr gut, wie wichtig es ist, dass alle Beteiligten eines Projekts früh involviert sind und optimal zusammenarbeiten. Sonst büssen sie es am Schluss nämlich ganz konkret in ihrem Alltag.
Die Vorstellungen und Fertigkeiten der Generation Z passen perfekt zu einem wichtigen Trend in der Baubranche: den partnerschaftlichen Zusammenarbeitsmodellen, bei denen die Projektbeteiligten im gleichen Boot sitzen, die Risiken teilen und gemeinsam erfolgreich sind. Ob sie nun Design-build, IPD oder Allianzvertrag heissen: Je mehr die Entwicklung, Planung und Realisierung eines Bauprojekts integriert wird, desto grösser die Herausforderungen bezüglich Kommunikation, Koordination, Digitalisierung und Teamfähigkeit.
In anderen Worten: Die Generation Z kommt gerade richtig. Denn wer sich heute für eine Lehre in der Bauwirtschaft entscheidet, will nicht Handlanger sein, sondern vollwertiges Teammitglied. Die Jungen sind nicht im Silodenken verhaftet, sie wollen über den Tellerrand hinausblicken, sich einbringen und Verantwortung übernehmen.
Die Teamfähigkeit qualifiziert die Jugendlichen für interdisziplinäre Projektallianzen, die bei komplexen Bauprojekten einen grossen Teil der Wertschöpfungskette integral abdecken können. Integriertes Arbeiten bedeutet, das Ganze zu sehen, und das motiviert. Partnerschaftliche Zusammenarbeit setzt ein Verständnis für den Partner und dessen Tätigkeit heraus, sowie die Fähigkeit, dessen Perspektive einzunehmen.
Die Generation Smartphone wird auch neuen Schub in die Digitalisierung der Branche bringen. Wer mit dem Handy aufwächst, entwickelt nicht nur die entsprechenden Fertigkeiten, sondern hat auch eine andere Einstellung dem technologischen Wandel anders gegenüber. Permanente Updates und disruptive Erfindungen sind für die heutigen Lernenden Normalität und keine lästigen Störungen des Alltags, die ältere Semester aus der Ruhe bringen.
Die Digitalisierung der Prozesse ist bei den Gesamtleistern, die im Verband Entwicklung Schweiz vertreten sind, eine besondere Herausforderung. Wenn die klassischerweise getrennten Phasen Entwicklung, Planung und Realisierung von einem Projektteam integral abgedeckt werden, steigen die Anforderungen an das Informationsmanagement und die Zusammenarbeit. Das mag nicht «chillig» sein, aber es ist spannend und macht Spass!
Wir sollten aufhören, die Generation Z als «Herausforderung für die Arbeitgeber» zu sehen und uns den Kopf zerbrechen, ob wir die Jugendlichen besser mit TikTok oder Insta für Bauberufe begeistern. Die Jungen blühen auf, wenn sie Verantwortung übernehmen können – für das Team, für ein Projekt, oder für übergeordnete Ziele wie Nachhaltigkeit oder Lebensqualität. Partnerschaftliches Bauen in integrierten Projektallianzen bietet das, was die Generation Z will: Teamarbeit, digitales und interaktives Arbeiten, Leadership, permanente Veränderungen und Herausforderungen aber auch Sinn, weil zu den grossen Themen ein echter Beitrag geleistet werden kann. Wenn wir das selbstbewusst kommunizieren, lösen wir den Knopf beim Nachwuchsproblem in der Branche.
Diesen Eindruck habe ich jedenfalls, wenn die Jungs nach einem anstrengenden aber erfüllten Tag heimkommen. Und wenn wir dann die Tagesaktualitäten «abgeladen» haben, machen wir uns ans gemeinsame Nachtessen. Da übernimmt jeder etwas – ein Gemeinschaftswerk, das meistens recht gut gelingt.